„Die Ampeln stehen auf Grün“

Anders als vielfach befürchtet, kam es im Winter zu keinem Engpass bei der Stromversorgung. Michael Scheibel, Teamleiter Verbundleitstelle bei naturenergie netze, gibt Einblick in die aktuelle Lage. 

Sie ist sozusagen das zentrale Nervensystem bei naturenergie netze: die Verbundleitstelle in Rheinfelden. Denn dort laufen Meldungen und Messwerte aus dem gesamten Versorgungsgebiet des regionalen Netzbetreibers zusammen. Teamleiter Michael Scheibel und seine zwölf Mitarbeitenden wachen hier an 365 Tagen im Jahr, rund um die Uhr über die Netzstabilität. KOMMpakt hat nachgefragt, wie der Fachmann die Versorgungssicherheit in Deutschland einschätzt. 
 

Herr Scheibel, wie haben Sie den Winter in der Verbundleitstelle erlebt?

Michael Scheibel: Glücklicherweise war die Lage entspannt. Sicher hat uns das milde Wetter in die Karten gespielt, die Gasspeicher waren gut gefüllt und sie werden es – laut Einschätzung der Bundesnetzagentur in diesem Winter – wohl auch noch bleiben. Ich bin daher optimistisch, dass wir vorerst über den Berg sind. Auch aus der Zusammenarbeit mit dem für Baden-Württemberg zuständigen Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW kann ich berichten, dass bislang „alle Ampeln auf Grün stehen“.
 

Dabei war und ist immer wieder von den Gefahren eines „Blackouts“ die Rede. Was genau verbirgt sich dahinter – und wie wahrscheinlich ist solch ein Vorfall?

Unter einem Blackout verstehen Fachleute einen kompletten, unvorhergesehenen großflächigen Stromnetzausfall, der viele Menschen gleichzeitig betrifft. Völlig abwegig ist so solch ein Ereignis nicht, aber das deutsche Stromnetz gehört zu den zuverlässigsten der Welt. Daher schätze ich die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts in Deutschland insgesamt als gering ein. Eher rechnen Expertinnen und Experten mit einem kontrollierten sogenannten Brownout. Das ist ein lokaler, temporärer Stromausfall, den Netzbetreiber bewusst und gezielt herbeiführen, um kritische Netzsituationen abzufedern. Das dient also der Netzstabilität, war aber bislang in Deutschland noch nicht nötig.
 

Welche Faktoren beeinflussen denn die Netzstabilität?

Für ein stabiles Netz müssen sich Stromerzeugung und -verbrauch immer im Gleichgewicht befinden – sinnbildlich wie bei einer Waage. Die Ereignisse des vergangenen Jahres haben es nicht leichter gemacht, die Waage in Balance zu halten. Allen voran der Krieg in der Ukraine und das daraus resultierende Risiko einer Gasmangellage. Zwar produzieren Gaskraftwerke lediglich rund zehn Prozent des Stroms hierzulande. Da sich diese Erzeuger aber – anders als etwa Kohlekraftwerke – optimal dazu eignen, die schwankende Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien auszugleichen, sind sie ein wichtiges Instrument für die Versorgungssicherheit. 
 

Wer entscheidet, wer bei einem Brownout vom Netz genommen wird? Gibt es eine Prioritätenliste?

Nein, anders als beim Gas gibt es bei der Stromversorgung keine geschützten Kunden, die zu priorisieren wären. Im Gegenteil. Gezielte Abschaltungen müssen diskriminierungsfrei vorgenommen werden. Das heißt, sämtliche Verbraucher – Haushalte, Industrie, aber auch Krankenhäuser und kritische Infrastruktur – befinden sich in einem Topf.
Ein System lost die Entnahmestellen aus, die 90 Minuten ohne Strom auskommen müssen. Diese Zeitspanne hat der Arbeitskreis „Systemverantwortung in der Regelzone der TransnetBW“ unter pragmatischen Gesichtspunkten für Baden-Württemberg festgelegt.
 

Bereiten Sie sich auf solch eine Situation vor?

Selbstverständlich. Aber wir können logischerweise nicht am echten Stromnetz üben. Deshalb gibt es regelmäßige Netzsimulatortrainings mit den Kolleginnen und Kollegen der Übertragungsnetzbetreiber.

Das Interview in voller Länge: https://blog.ednetze.de/mangelware-strom
 

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