Der Weg zur Wärmeplanung

In Baden-Württemberg ging es zunächst nur um 104 größere Städte. Beim Bund sind jetzt alle dran: Kommunale Wärmeplanung wird zum zentralen Baustein der Wärmewende – auch für kleine Kommunen. energiedienst-Experte Thomas Rasilier erklärt, was jetzt wichtig ist.

Bisher waren lediglich die großen Kreisstädte in Baden-Württemberg betroffen: Sie müssen bis Ende 2023 einen Wärmeplan vorlegen, wie sie sich beim Heizen unabhängig von fossilen Energien machen wollen. Jetzt arbeitet die Bundesregierung an Vorgaben, alle Kommunen bis Ende Juni 2028 zu einer kommunalen Wärmeplanung zu verpflichten. Der Projektentwickler für kommunale Wärme- und Energielösungen bei energiedienst, Thomas Rasilier, weiß, worauf es ankommt.

 

Herr Rasilier, müssen jetzt die 104 großen Kommunen, die in Baden-Württemberg einen Wärmeplan erstellen, für die Pläne der Bundesregierung von vorn anfangen?

Rasilier: Davon gehe ich nicht aus. Die Vorgaben der Bundesregierung sind im Detail zwar noch nicht bekannt, aber die Ziele sind ja die gleichen. Baden-Württemberg ist Vorreiter und will bis 2040 klimaneutral sein, die ganze Republik bis 2045.

 

Aber das Gebäudeenergiegesetz – für das die kommunale Wärmeplanung im Bund jetzt der Rahmen werden soll – ist nach langen Diskussionen gelockert worden. So sollen Öl- und Erdgasheizungen weiter möglich sein.

Das stimmt. Zumindest vorerst. Bisher gingen wir davon aus, dass Gasnetze möglichst rückgebaut werden. Jetzt können sie in der kommunalen Planung weiter eine Option sein. Viele Gemeinden sehen diese Infrastruktur jedoch kritisch. Keiner weiß genau, wie sich die Kosten entwickeln und mit welchem Aufwand sich diese Netze zum Beispiel auf Wasserstoff umrüsten lassen.

 

Wie gehen denn Kommunen bei der Wärmeplanung am besten vor?

Vorgesehen sind vier Schritte: von der Bestands- über die Potenzialanalyse hin zum Zielszenario und zur Wärmewendestrategie. Es geht um einen kontinuierlichen Prozess, bei dem regelmäßig auf die Zielerreichung und neue Rahmenbedingungen zu achten ist. Ein wirklicher Mehrwert ergibt sich, wenn möglichst alle Akteure vor Ort – von der Gemeinde über lokale Unternehmen, Energieversorger und Netzbetreiber bis hin zu den Bürgern – eingebunden sind.

 

Das hört sich nach viel Arbeit an. Wie sollen kleine Kommunen das schaffen?

Für Kommunen mit weniger als 10.000 Einwohnern ist ein vereinfachtes Verfahren vorgesehen – vor allem, wenn Wärme- oder Wasserstoffnetze sehr unwahrscheinlich sind. Aber generell gilt: Ohne kompetente Partner mit Know-how geht das nicht. Diese Dienstleister übernehmen meist 90 Prozent der Arbeit. Speziell die Datenanalyse ist sehr komplex.

 

Woher kommen die Daten?

Das können statistische Werte zum Baualter und zum spezifischen Wärmebedarf der Gebäude sein oder Daten aus dem Wärmekataster. Schornsteinfeger kennen Art und Alter von Heizungen, auch Netzbetreiber wissen, wer am Gasnetz hängt oder mit Strom heizt.

 

Und was passiert bei der Potenzialanalyse?

Hier geht es um die Ermittlung möglicher Wärmequellen oder Technologien, die für eine zukünftige Versorgung Sinn machen können. Speziell auch, ob die Bebauungsstruktur den Aufbau eines Wärmenetzes erlaubt oder ob Einzellösungen zu bevorzugen sind. Ein wichtiges Thema beim Aufbau von Wärmenetzen ist beispielsweise auch das verfügbare Abwärmepotenzial aus lokalen Betrieben.

 

Um welche Art von Betrieben geht es?

Klassische Wärmenetze werden in der Regel mit Vorlauftemperaturen von 80 bis 90 Grad betrieben. Abwärme aus metallverarbeitenden Betrieben etwa kann diese Temperaturen erreichen. Aber auch Abwärme auf einem niedrigeren Temperaturniveau kann über Wärmepumpen nutzbar gemacht werden.

 

Was kommt nach der Potenzialanalyse?

Der nächste Schritt ist das Zielszenario für eine künftige Versorgungsstruktur nach technischen und wirtschaftlichen Kriterien. Also: Wo lohnt sich die Einrichtung von Wärmenetzen und wo wird es bei einer Einzelversorgung bleiben.

 

Dann fehlt noch ein Schritt …

Ja, die Wärmewendestrategie. Es gilt, einen Transformationspfad zu entwickeln, mit Zeitplan und Maßnahmen. Hier muss zum Beispiel der Gemeinderat über den Bau eines Wärmenetzes und das Betreibermodell entscheiden.

 

Was heißt Betreibermodell?

Im Betreibermodell werden die Zuständigkeiten für die Umsetzung und den Betrieb von Wärmenetzen festgelegt. Also beispielsweise, ob die Gemeinde selbst investiert und betreibt oder ob wegen der Komplexität ein Dienstleister beauftragt wird. Energiedienst hat zum Beispiel derzeit 13 Nahwärmenetze in Betrieb, die aber nicht alle uns gehören.

 

Auch der Aufwand für eine kommunale Wärmeplanung selbst scheint erst einmal hoch.

Wenn man das Thema richtig angeht, steigt der Mehrwert und man minimiert Fehlentscheidungen, die am Ende noch größeren Aufwand bedeuten. Externe Dienstleister stemmen den Großteil der Arbeit, wofür es staatliche Förderungen gibt. Und kleinere Gemeinden können sich zu einem Konvoi zusammenschließen, um den Aufwand zu mindern. Die Gemeinden kennen die Gegebenheiten vor Ort am besten, weshalb die kommunale Wärmeplanung nur durch den aktiven Beitrag der Gemeinde zum Erfolg wird.

 

Was raten Sie Kommunen, die gerade mit den Vorbereitungen beginnen?

Sich früh darum zu kümmern und bei der Ausschreibung nicht unbedingt allein auf den Preis schauen. Es gibt nur wenige Dienstleister, die eine umfassende Kompetenz mitbringen. Eine ingenieurtechnische Expertise ist entscheidend für die Qualität und Verwertbarkeit der Ergebnisse. Und wenn die Öffentlichkeit einbezogen werden soll, geht es auch um Kommunikationskompetenz.

 

Mehr zu den Projekten: www.naturenergie.de/geschaeftskunden/gewerbe

 

Ihr Ansprechpartner

Thomas Rasilier